BEAT FISCHER Herr Kozlowski, Sie haben polnische Wurzeln und arbeiten nun in einem Alpenland mit einer ganz anderen Flora, wie geht das?
GREGOR KOZLOWSKI Ja, aber eigentlich sind die Floren gar nicht so unterschiedlich, Polen befindet sich ebenfalls in der nördlichen Hemisphäre. Ich stamme aus Posen, das liegt zwischen Warschau und Berlin. Da beginnt bereits das nordische Klima. In den Wäldern findet man dort Türkenbund (Lilium martagon) oder andere Arten, die auch in der Schweiz vorkommen. Und das Wichtigste ist, die Natur kennt keine Grenzen!
Woher rühren Ihr Interesse und Ihr Enthusiasmus für Pflanzen?
Ich wuchs in einem Nationalpark auf (Nationalpark Grosspolen). Der ist zwar klein, aber als Kind war ich ständig in den Wäldern, die Natur prägte mich und bereits als Jugendlicher wollte ich deren Schönheit und Diversität schützen. Jede neue Art, die ich kennenlerne, bedeutet ein neues Abenteuer und fasziniert mich bis heute.
Der Botanische Garten Freiburg hat eine lange Tradition mit Ex-situ-Kulturen, also mit Pflanzen, die an ihren natürlichen Wuchsorten gesammelt, im Botanischen Garten vermehrt und danach in der freien Wildbahn wieder ausgepflanzt werden. Nach welchen Kriterien wählen Sie die jeweiligen Arten aus?
Prioritäten zu setzen, ist etwas vom Schwierigsten. Im Kanton Freiburg wachsen rund 700 gefährdete Pflanzenarten. Bei der Auswahl folgen wir Standardlisten der Schweizer Flora, die vom BAFU, von Experten und Expertinnen der kantonalen Verwaltung und in Zusammenarbeit mit Info Flora erstellt werden. So vermeiden wir Doppelspurigkeiten, oder dass man Arten vergisst. Zusätzlich zu den Schweizer Prioritätsarten wählen wir manchmal auch spezielle lokale Pflanzenarten aus. Im Laufe der letzten 25 Jahre etablierte sich der Botanische Garten Freiburg als Kompetenzzentrum für die kantonale Flora.
Wie viele Ex-situ-Arten betreut der Botanische Garten Freiburg?
Wir haben rund 30 Arten, die wir betreuen, vermehren und für die wir Aktionspläne erarbeitet haben. Für einen mittelgrossen Garten ist das sehr viel, und wir kommen langsam an die Grenzen unserer Möglichkeiten.
Welche Erfahrungen sind für die Vermehrung der Ex-situ-Arten beim Gartenteam nötig?
Gärtnerische Kenntnisse sind zentral für den Pflanzenartenschutz. Bei sehr schwierig aufzuziehenden Arten wie Farnen oder Wasserpflanzen braucht es mehr als nur einen grünen Daumen, es bedarf Gärtner-Botaniker, die Artenkenntnisse besitzen, ökologische Erfahrung haben, die verstehen, in welchen Böden die Pflanzen wachsen und wie man die Pflanzen vermehrt oder wie sie sich ausbreiten.
Wie wählen Sie die Auspflanzungsstandorte aus?
Idealerweise siedeln wir die Arten da aus, wo sie bedroht oder verschwunden sind. Auspflanzungen finden nach einer Renaturierung statt und in Zusammenarbeit mit der kantonalen Verwaltung und lokalen Naturschützern. Leider sind diese Standorte oft bereits vernichtet oder nur noch kleinräumig vorhanden, sodass wir uns gezwungen sehen, Ersatzstandorte zu suchen, wie beispielsweise für die stark bedrohte Kleine Teichrose (Nuphar pumila), wo nur noch ein einziger Tümpel für eine Aussiedlung vorhanden war.
Benötigen Sie jeweils eine Erlaubnis von den Behörden?
Ja, eine Auspflanzung muss offiziell bewilligt sein und darf meist, je nach Kanton, nur durch botanische Gärten ausgeführt werden.
Werden die ausgesetzten Populationen jeweils überprüft, besteht eine Erfolgskontrolle?
Sowohl im Kanton Freiburg als auch in anderen Westschweizer Kantonen gibt es einen kantonalen Experten, der diese Erfolgskontrollen durchführt.
Gibt es Erfolgserlebnisse, die Sie besonders freuen, oder Misserfolge, die Sie ärgern?
Nebst der Kleinen Teichrose war auch die Wiederaussiedlung des vom Aussterben bedrohten Igelschlauchs (Baldellia ranunculoides) ein Erfolg. Es gab in der Schweiz nur noch eine kleine Population bei Yverdon. Benoît Clément, einer unserer Gärtner, der für die Exsitu-Kulturen verantwortlich ist, züchtete 250 Pflänzchen, und durch wiederholte Wiederaussiedlungen konnten wir die Population in der Schweiz mit rund 3000 Individuen stabilisieren. Es gab aber auch Misserfolge, wie beim weltweit gefährdeten Schweizer Alant (Inula helvetica), der früher in der Stadt Freiburg wuchs, dessen Ansiedlung an geeigneten Ersatzstandorten aber bisher leider nicht klappte.
Welche Pflanzenarten haben Sie im Visier für zukünftige Projekte?
Wir versuchen lokal wichtige Arten in unser Erhaltungsprogramm aufzunehmen. Dazu zählen zwei bis drei Farnarten, wie beispielsweise der Schwarzstielige Streifenfarn (Asplenium adiantum-nigrum), der im Kanton Freiburg nur an einem einzigen Ort natürlicherweise vorkommt. Weiter möchten wir uns auch um die Rundblättrige Hauhechel (Ononis rotundifolia) kümmern, ein wärmeliebendes, rosarot blühendes Sträuchlein, das im Kanton nur noch in zwei bis drei isolierten Populationen vorhanden ist.
Das Interview ist im BOTANICA Garten- und Pflanzenführer 2017 erschienen.
«Die Natur kennt keine Grenzen»
Der Botanische Garten der Universität Freiburg nimmt in der Schweiz eine Pionierrolle ein. Seit 25 Jahren führt er Ex-situ- Erhaltungsprogramme für gefährdete Pflanzenarten durch. Deren Leiter, Prof. Gregor Kozlowski, ist massgeblich dafür verantwortlich und er realisierte mit seiner Forschungsgruppe und dem Gartenteam etliche erfolgreiche Wiederaussiedlungen.
Prof. Gregor Kozlowski ist wissenschaftlicher Leiter und Kurator des Botanischen Gartens der Universität Freiburg. Er leitet eine Forschungsgruppe für Naturschutzbiologie und betreut mit dem Gartenteam die Pflanzensammlung, führt Artenschutzprojekte durch und ist in der Lehre aktiv.
BEAT FISCHER Herr Kozlowski, Sie haben polnische Wurzeln und arbeiten nun in einem Alpenland mit einer ganz anderen Flora, wie geht das?
GREGOR KOZLOWSKI Ja, aber eigentlich sind die Floren gar nicht so unterschiedlich, Polen befindet sich ebenfalls in der nördlichen Hemisphäre. Ich stamme aus Posen, das liegt zwischen Warschau und Berlin. Da beginnt bereits das nordische Klima. In den Wäldern findet man dort Türkenbund (Lilium martagon) oder andere Arten, die auch in der Schweiz vorkommen. Und das Wichtigste ist, die Natur kennt keine Grenzen!
Woher rühren Ihr Interesse und Ihr Enthusiasmus für Pflanzen?
Ich wuchs in einem Nationalpark auf (Nationalpark Grosspolen). Der ist zwar klein, aber als Kind war ich ständig in den Wäldern, die Natur prägte mich und bereits als Jugendlicher wollte ich deren Schönheit und Diversität schützen. Jede neue Art, die ich kennenlerne, bedeutet ein neues Abenteuer und fasziniert mich bis heute.
Der Botanische Garten Freiburg hat eine lange Tradition mit Ex-situ-Kulturen, also mit Pflanzen, die an ihren natürlichen Wuchsorten gesammelt, im Botanischen Garten vermehrt und danach in der freien Wildbahn wieder ausgepflanzt werden. Nach welchen Kriterien wählen Sie die jeweiligen Arten aus?
Prioritäten zu setzen, ist etwas vom Schwierigsten. Im Kanton Freiburg wachsen rund 700 gefährdete Pflanzenarten. Bei der Auswahl folgen wir Standardlisten der Schweizer Flora, die vom BAFU, von Experten und Expertinnen der kantonalen Verwaltung und in Zusammenarbeit mit Info Flora erstellt werden. So vermeiden wir Doppelspurigkeiten, oder dass man Arten vergisst. Zusätzlich zu den Schweizer Prioritätsarten wählen wir manchmal auch spezielle lokale Pflanzenarten aus. Im Laufe der letzten 25 Jahre etablierte sich der Botanische Garten Freiburg als Kompetenzzentrum für die kantonale Flora.
Wie viele Ex-situ-Arten betreut der Botanische Garten Freiburg?
Wir haben rund 30 Arten, die wir betreuen, vermehren und für die wir Aktionspläne erarbeitet haben. Für einen mittelgrossen Garten ist das sehr viel, und wir kommen langsam an die Grenzen unserer Möglichkeiten.
Welche Erfahrungen sind für die Vermehrung der Ex-situ-Arten beim Gartenteam nötig?
Gärtnerische Kenntnisse sind zentral für den Pflanzenartenschutz. Bei sehr schwierig aufzuziehenden Arten wie Farnen oder Wasserpflanzen braucht es mehr als nur einen grünen Daumen, es bedarf Gärtner-Botaniker, die Artenkenntnisse besitzen, ökologische Erfahrung haben, die verstehen, in welchen Böden die Pflanzen wachsen und wie man die Pflanzen vermehrt oder wie sie sich ausbreiten.
Wie wählen Sie die Auspflanzungsstandorte aus?
Idealerweise siedeln wir die Arten da aus, wo sie bedroht oder verschwunden sind. Auspflanzungen finden nach einer Renaturierung statt und in Zusammenarbeit mit der kantonalen Verwaltung und lokalen Naturschützern. Leider sind diese Standorte oft bereits vernichtet oder nur noch kleinräumig vorhanden, sodass wir uns gezwungen sehen, Ersatzstandorte zu suchen, wie beispielsweise für die stark bedrohte Kleine Teichrose (Nuphar pumila), wo nur noch ein einziger Tümpel für eine Aussiedlung vorhanden war.
Benötigen Sie jeweils eine Erlaubnis von den Behörden?
Ja, eine Auspflanzung muss offiziell bewilligt sein und darf meist, je nach Kanton, nur durch botanische Gärten ausgeführt werden.
Werden die ausgesetzten Populationen jeweils überprüft, besteht eine Erfolgskontrolle?
Sowohl im Kanton Freiburg als auch in anderen Westschweizer Kantonen gibt es einen kantonalen Experten, der diese Erfolgskontrollen durchführt.
Gibt es Erfolgserlebnisse, die Sie besonders freuen, oder Misserfolge, die Sie ärgern?
Nebst der Kleinen Teichrose war auch die Wiederaussiedlung des vom Aussterben bedrohten Igelschlauchs (Baldellia ranunculoides) ein Erfolg. Es gab in der Schweiz nur noch eine kleine Population bei Yverdon. Benoît Clément, einer unserer Gärtner, der für die Exsitu-Kulturen verantwortlich ist, züchtete 250 Pflänzchen, und durch wiederholte Wiederaussiedlungen konnten wir die Population in der Schweiz mit rund 3000 Individuen stabilisieren. Es gab aber auch Misserfolge, wie beim weltweit gefährdeten Schweizer Alant (Inula helvetica), der früher in der Stadt Freiburg wuchs, dessen Ansiedlung an geeigneten Ersatzstandorten aber bisher leider nicht klappte.
Welche Pflanzenarten haben Sie im Visier für zukünftige Projekte?
Wir versuchen lokal wichtige Arten in unser Erhaltungsprogramm aufzunehmen. Dazu zählen zwei bis drei Farnarten, wie beispielsweise der Schwarzstielige Streifenfarn (Asplenium adiantum-nigrum), der im Kanton Freiburg nur an einem einzigen Ort natürlicherweise vorkommt. Weiter möchten wir uns auch um die Rundblättrige Hauhechel (Ononis rotundifolia) kümmern, ein wärmeliebendes, rosarot blühendes Sträuchlein, das im Kanton nur noch in zwei bis drei isolierten Populationen vorhanden ist.
Die Emotionen Wecken
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«Wir profitieren vom grossen gärtnerischen Knowhow»
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Gregor Kozlowski ist in seinem Element, wenn er über sein Spezialgebiet, den Artenschutz, spricht. «Allein im Kanton Freiburg sind rund 700 Pflanzenarten bedroht, ein Drittel des kantonalen Wildpflanzenbestandes.»