Der Artikel ist im BOTANICA Garten- und Pflanzenführer 2019 erschienen.

Die Letzten ihrer Art

Erhaltung gefährdeter Wildpflanzen in botanischen Gärten

In der Schweiz sind über ein Viertel der Wildpflanzen bedroht und stehen auf der Roten Liste. In botanischen Gärten werden solche gefährdeten Arten für eine Wiederansiedlung in ihren natürlichen Lebensräumen kultiviert.

Aufgaben der Botanischen Gärten

 Weltweit gibt es etwa 1800 Botanische Gärten in 150 Ländern. Sie beherbergen mit über 100’000 Pflanzenarten rund ein Drittel aller bekannten Blüten- und Farnpflanzen und stellen Inseln der Biodiversität in einer meist städtisch geprägten Umgebung dar. In der Schweiz haben sich 34 Botanische Gärten und Pflanzensammlungen im Verein Hortus Botanicus Helveticus (HBH) zusammengeschlossen. Sie beherbergen eine lebende Sammlung von einheimischen und exotischen Pflanzenarten. Zu den wichtigsten Aufgaben der Botanischen Gärten gehören:

  • Kultivierung und Präsentation der Pflanzenvielfalt
  • Erforschung der Pflanzenwelt
  • Vermittlung der Bedeutung der biologischen Vielfalt für die Gesellschaft
  • Bildung für Erwachsene, Schüler und Kinder
  • Lehre und Kurse in Botanik, Ökologie, Evolution, Bionik, Biochemie, Pharmazie, Medizin, Veterinärmedizin etc.
  • Ausbildung von Fachgärtnerinnen und Fachgärtnern für wissenschaftliche Sammlungen
  • Schnittstelle zwischen Forschung und Öffentlichkeit mit Pflanzen als Kommunikationsmittel
  • Artenschutz seltener Pflanzen durch Erhaltungskulturen und internationaler Austausch von Samen
  • Kooperationspartner für den Naturschutz
  • Naturerlebnis und Erholungsraum

 

Artenvielfalt in der Schweiz

Neuste Studien zeigen, dass fast die Hälfte aller Lebensraumtypen in der Schweiz bedroht ist. Einige Lebensräume sind besonders betroffen, darunter offene Gewässer, Uferbereiche, Sümpfe, Moore sowie Trockenwiesen. Darüber hinaus führt die allgemeine Verschlechterung der Lebensräume auch zu einer Zunahme von seltenen und bedrohten Arten. Die Bestände vieler Pflanzenarten sanken auf ein so tiefes Niveau, dass deren langfristiges Überleben nicht gesichert ist. Die Gefährdung von Arten wird mithilfe einer Kombination genau definierter, international gültiger Kriterien in Form von «Roten Listen» beurteilt. Diese dokumentieren nicht nur den momentanen Zustand, sondern auch den Wandel der Artenvielfalt. Die Schweizer Flora umfasst 2613 einheimische Arten. Nach der Roten Liste von 2016 sind 725 Arten und Unterarten oder 28 Prozent gefährdet oder gar ausgestorben. Dabei werden folgende Kategorien unterschieden: 55 Taxa gelten als ausgestorben oder verschollen, 111 als vom Aussterben bedroht (CR), 197 als stark gefährdet (EN) und 362 als verletzlich (VU). Dazu kommen 415 Taxa, die als potenziell gefährdet (NT) eingestuft wurden.

Artenschutz und Ex situ-Erhaltung in Botanischen Gärten

 Der Schutz der Lebensräume ist die wichtigste Massnahme, um das Aussterben von seltenen und bedrohten Pflanzenarten zu verhindern. Eine weitere Möglichkeit sind die Kultur, Vermehrung und damit die Erhaltung gefährdeter Wildpflanzen ausserhalb ihres natürlichen Lebensraumes. Diese Massnahme nennt man Ex situ-Erhaltung. Später können so vermehrte Arten von bekannten Standorten wieder in ihren natürlichen Lebensräumen angesiedelt werden. Botanische Gärten engagieren sich seit Jahrzehnten für den Artenschutz und die Ex situ-Erhaltung. Ihre Kompetenz liegt in der Kombination von wissenschaftlicher Kenntnis und der gärtnerischen Fähigkeit der Kultur von Wildpflanzen. Dabei arbeiten sie eng mit den kantonalen Naturschutzfachstellen, dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und auch staatlichen Stellen im Ausland zusammen. Zudem berät das nationale Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora, «Info Flora», die Botanischen Gärten bei Arterhaltungsprojekten.

HBH lancierte 2016 das gesamtschweizerische Projekt «Die Letzten ihrer Art – Erhaltung gefährdete Wildpflanzen in Botanischen Gärten». Das Projekt, bei dem sich 22 Botanische Gärten beteiligten, hat zum Ziel gefährdete Wildpflanzen in den Botanischen Gärten für eine Wiederansiedlung in ihren natürlichen Lebensräumen beispielhaft zu kultivieren, Erfahrungen zu sammeln und die Kontakte zu den Kantonalen Naturschutzfachstellen zu stärken. Weiter lässt sich die genetische Vielfalt der Pflanzen mittels Lagerung von Saatgut in Saatgutbanken schützen. In der Schweiz betreibt der Botanische Garten Genf eine Samenbank, die Pflanzensamen unter optimalen Bedingungen auf lange Zeit sichert.

Politische Rahmenbedingungen

Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt erfordern gemeinsame internationale und nationale Anstrengungen und verbindliche politische Rahmenbedingungen. Mit der «Globalen Strategie zur Erhaltung der Pflanzen» (GSPC), einem international verbindlichen Dokument im Rahmen der Biodiversitätskonvention (CBD), hat sich die Schweiz zusammen mit 192 anderen Vertragspartnern verpflichtet, für die Erhaltung wildlebender Pflanzen zu sorgen. Eines der Ziele ist es, 75 Prozent der gefährdeten Arten Ex situ zu erhalten, wovon 20 Prozent wiederum für Ansiedlungen zur Verfügung stehen sollen. Demzufolge hat die Schweiz den Auftrag, rund 550 gefährdete Pflanzenarten Ex situ zu erhalten und 110 Arten wieder auszusiedeln. Mit rund 260 gefährdeten Arten, die in der Samenbank des Botanischen Gartens in Genf gelagert werden, wird der Auftrag bereits teilweise erfüllt. Bei den Aussiedlungsprojekten besteht jedoch ein enormer Bedarf. Das BAFU hat mit der «Strategie Biodiversität Schweiz» einen Aktionsplan zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität erarbeitet. Dabei werden auch Arterhaltungsprogramme in Botanischen Gärten unterstützt.

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