Das Interview ist im BOTANICA Garten- und Pflanzenfüher 2020/2021 erschienen.

Invasive Neophyten

«Invasive Pflanzen können ganze Ökosyseme verändern»

Das Centre for Agriculture and Bioscience Inter-national (CABI) ist eine gemeinnützige, internationale Organisation im Bereich Land-wirtschaft und Biowissenschaften. Ihre Schweizer Niederlassung befindet sich in Delémont und beschäftigt sich unter anderem mit der biologischen Kontrolle von invasiven Neophyten und Insekten.

DR.URS SCHAFFNER studierte an der Universität Bern Zoologie, ist am CABI als Leiter Ökosystemmanagement tätig und lehrt an der Universität Idaho (USA). Er arbeitet im Bereich der biologischen Kontrolle von problematischen Pflanzen und ihren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.

BEAT FISCHER Herr Schaffner, wieso befindet sich die Schweizer Niederlassung einer weltweit tätigen Organisation mit über 600 Mitarbeitenden in Delémont?

URS SCHAFFNER Das hat biologische Gründe. Die Geschichte beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Das CABI suchte in Europa nach natürlichen Gegenspielern von Waldschädlingen. Da in der Schweiz relativ stabile politische Verhältnisse, eine gute Infrastruktur und im Jura verschiedene Waldtypen vorhanden sind, liess man sich 1958 in Delémont nieder.

Wie schätzen Sie das Problem der invasiven Neophyten auf globaler Stufe ein?

Sie sind eine der wichtigsten Ursachen für den Verlust der Biodiversität, aber auch grundsätzlich bei der Degradierung von Ökosystemen und dem Verlust der Ökosystem-Dienstleistungen. Es gibt natürlich auch andere Faktoren, etwa die Übernutzung der Ökosysteme oder die Bevölkerungszunahme. Was man aber beobachtet, ist, dass invasive Pflanzen alleine intakte Ökosysteme verändern können. Dies wird besonders auf Inseln deutlich oder in der Subsahara in Afrika, wo Bäume aufgrund von Holzmangel bewusst eingeführt wurden und sich jetzt in natürlichen Ökosystemen ausgebreitet haben. Ein weiteres Beispiel ist die Invasion von verschiedenen Baumarten im Fynbos, einem sehr artenreichen Ökosystem im südlichen Afrika. Hier führen die invasiven Neophyten zu einer Abnahme der Biodiversität.

Haben Sie eine Lieblingspflanze unter diesen Arten?

Ich arbeite mit einer Pflanze aus Zentral- und Südamerika, Prosopis juliflora, und ich bin begeistert von ihrer Anpassungsfähigkeit. Aber ich möchte sie nicht als Lieblingspflanze bezeichnen, weil sie grosse Probleme für Mensch und Natur verursacht. Es ist jedoch phänomenal, wie diese Pflanze, die vor rund 50Ja-ren im Nordosten Äthiopiens als Brennholzlieferant eingeführt wurde, sich seither in dieser trockenen und heissen Region massiv ausgebreitet hat. Dank bis zu 50 m tief reichenden Wurzeln kann sie Grundwasser in Bereichen anzapfen, wo keine andere einheimische Pflanze hingelangt. Diese Eigenschaft war mit ein Grund, warum man sie ursprünglich in neue Gebiete gebracht hat. Aber sie ist nun auch der Grund für grosse ökologische Probleme in diesen Regionen, da das dornige Gehölz bis zu 30 Prozent der Weideflächen besiedelt und zerstört hat.

Wie lassen sich solche Probleme lösen?

Je nach Land stehen bei der Bekämpfung invasiver Pflanzen unterschiedliche Geldmengen zur Verfügung. Dabei finden sich die grossen Probleme vor allem in armen Ländern, zum Beispiel auf der Südhalbkugel. Wir treffen dort oft auf die Situation, dass diese Pflanzen grosse Flächen besiedeln, die relativ ertragsarm sind und wo zum Beispiel Chemie kein Thema ist, weil die Kosten der Herbizide höher sind als jegliche Erträge. Viele der

Methoden, die wir in der Schweiz einsetzen, machen in diesen Regionen ökonomisch überhaupt keinen Sinn. Erfahrungen zeigten, dass in den einkommensschwachen Ländern vor allem die biologische Unkrautbekämpfung zu einer langfristigen Stabilisierung der natürlichen Populationen führt. Dabei wird ein gebietsfremder Organismus aus dem Ursprungsgebiet dieser invasiven Pflanze eingeführt. Davor macht man jedoch langjährige Voruntersuchungen, um Risiken und Nutzen abzuschätzen. Wenn es funktioniert, ist dies mit Abstand die billigste und effizienteste Methode, um solche Prozesse zu verlangsamen oder gar zu stoppen.

Welche Risiken bestehen bei der biologischen Schädlings-bekämpfung?

Wir hören immer wieder vom furchtbaren Beispiel der Aga-Kröte, die aus Amerika stammt und 1935 in Australien zur Schädlingsbekämpfung in Reisfeldern eingesetzt wurde. Ich hoffe, dass ein solcher Fall in Zukunft nicht mehr in Zusammenhang mit der biologischen Kontrolle invasiver Organismen diskutiert wird, weil dabei Tiere eingeführt wurden, die überhaupt nicht spezialisiert waren. Es gab keine Voruntersuchungen, und die Kröten wurden auch gegen einheimische Schädlinge eingesetzt. Dies hat nichts mit biologischer Schädlings-bekämpfung invasiver Pflanzen zu tun, denn diese beinhaltet den Einsatz von spezialisierten, natürlichen Gegenspielern, deren Einfuhr gemäss internationalen Abkommen erfolgt und durch nationale Behörden geregelt wird. Seit rund 60 Jahren konnten wir mit der biologischen Unkrautbekämpfung Erfahrungen sammeln. Dabei wurden weltweit über450 Insekten und Pilze freigesetzt: Die Bilanz ist fast ausnahmslos positiv.

Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen dem Klimawandel und invasiven Neophyten?

Invasive Pflanzen können Aus-wirkungen des Klimawandels auf Natur und Mensch verstärken. In Regionen, die jetzt schon geringe Niederschlagsmengen aufweisen, verschärft sich die Wasserknappheit. Invasive Baumarten wie beispielsweise Prosopis juliflora benötigen viel mehr Wasser als die von ihnen besiedelten natürlichen Grasländer. Entfernt man diese Prosopis-Bestände, steigt der Grundwasser-spiegel wieder an. In Äthiopien beispielsweise verbraucht dieser invasive Baum heute in den von ihm besiedelten Regionen fast die gesamte Jahres-Niederschlagsmenge. Das sind Verluste an Niederschlagsmengen, die das System zum Kippen bringen können.

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