Das Interview ist im BOTANICA Garten- und Pflanzenführer 2019 erschienen.

Klimawandel im Pflanzenreich

«Letztlich sind es die Extremereignisse, die zu Veränderungen führen»

Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) befasst sich mit der Nutzung und Gestaltung sowie dem Schutz von naturnahen und urbanen Lebensräumen. Die WSL ist ein Forschungsinstitut des Bundes und gehört zum ETH-Bereich. Niklaus E. Zimmermann forscht an der WSL in der Gruppe Dynamische Makroökologie und wirkt als Mitglied der Direktion auch bei der strategischen Ausrichtung der WSL mit.

BEAT FISCHER Herr Zimmermann, wie nehmen Sie persönlich den Klimawandel wahr?

NIKLAUS E. ZIMMERMANN In erster Line beim Wandern im Gebirge. Ich gehe gerne und oft in die Regionen, in denen ich schon als Kind gewandert bin. Ich stelle fest, dass die Gletscher massiv zurückgegangen sind, aber auch Ewigschneefelder schwinden stark. Wenn ich die Vegetation betrachte, sind die Veränderungen nicht so gut sichtbar oder noch nicht. Mit den bisherigen Klimaveränderungen bewegen wir uns in einem Bereich, der noch kaum ausserhalb der historischen Schwankungen liegt. Daher sind  einzelne trockene, kalte oder feuchte Jahre von der Natur meist noch zu bewältigen. Es gibt aber immer mehr Anzeichen, dass wir diesen Bereich der historischen Variabilität langsam verlassen – und das ist alarmierend.

Als Wissenschaftler beschäftigen Sie sich intensiv mit der Modellierung der Vegetation in Bezug auf den Klimawandel. Wie muss man sich Ihre Arbeit vorstellen?

Wir verwenden unterschiedliche Modelle. Wenn ich beispielsweise wissen möchte, wie sich die Rot-Buche in Zukunft verhalten wird, analysiere ich mittels einfacher statistischer Modelle, wo und unter welchen klimatischen Bedingungen sie heute wächst. Das Modell beschreibt also, welchen Klimabereich die Rot-Buche abdeckt. Dann verwende ich Klimakarten, welche die Zukunft beschreiben, und projiziere den Klimabereich der Buche auf diese Karten. Das heisst beispielsweise, wenn wir hier heute im Mittelland im Schnitt 8 °C haben und die Temperaturen in der Zukunft ansteigen, vielleicht auf 12 °C , werden wir die Rot-Buche im Mittelland kaum mehr antreffen, sondern eher Eichen.

Sie nehmen somit an, dass sich die Rot-Buche selber nicht ändern wird?

Genau. Natürlich wird sich die Rot-Buche ändern, aber nicht im Lauf von 50 bis 100 Jahren. Denn sie hat ja einen sehr viel längeren Lebenszyklus; sie produziert erst mit 20, 30 Jahren Samen. Neue Samen passen sich an ein leicht geändertes Klima an, an ein stark geändertes jedoch kaum.

Kann man aufgrund von statistischen Analysen überhaupt die komplexen Verhältnisse in der Natur berechnen oder gar voraussagen?

Nur bedingt. Zum Beispiel können wir mit solch einfachen Modellen nicht sagen, was geschieht, wenn es ganz plötzlich zu trocken oder zu warm wird für die Rot-Buche. Die meisten unserer statistischen Modelle sagen, dass es Ende Jahrhundert im Mittelland für die Rot-Buche schwierig wird. Ob sie wirklich verschwindet und wie schnell, können wir nicht sagen. Dazu braucht es komplexere Modelle, die sich auch mit demografischen Prozessen wie Samenkeimung, Aufwachsen oder Mortalität auseinandersetzen. Letztlich wird es nicht die Verschiebung der Mitteltemperatur sein, die unsere Ökosysteme verändert, sondern das Auftreten von Extremereignissen. Es ist aber schwierig, diese Ereignisse präzise vorauszusagen. Wenn wir ein 4 °C wärmeres Jahresmittel annehmen, wird die Rot-Buche wahrscheinlich einfach besser wachsen. Bei solchen Temperaturen werden jedoch auch extreme Ereignisse wie Dürre und Trockenheit zunehmen, was wiederum zu einem Absterben der Rot-Buche führen kann.

In der Schweiz hat sich die Jahresdurchschnittstemperatur seit rund 150 Jahren um knapp 2 °C erhöht. Dies tönt nicht nach viel. Wieso reagieren gewisse Pflanzen so empfindlich?

Ich glaube, sie reagieren darauf nicht unmittelbar. Ein Anstieg der Mitteltemperatur um 2 °C bewirkt einen schleichenden, langsamen Prozess, der sich nicht einfach beobachten lässt. Aber eskönnen neue Extreme auftreten, die diese 2 °C deutlich übersteigen.  Und letztlich sind es Extremereignisse, die zu Veränderungen führen.

Wie sieht der Wald im Mittelland im Jahr 2050 aus?

Sehr ähnlich wie heute. Ausser es treten zwei, drei klimatische Extremereignisse in kurzer Folge auf wie die Hitzesommer in den Jahren 2003 und 2018. Dann könnte es zu einem deutlichen Rückgang der Rot-Buche kommen. Wir stellten fest, dass vor allem gross gewachsene, ältere, dominante Exemplare in den Jahren nach 2003 enorm Mühe hatten, wieder Blätter zu entwickeln, sie wurden wirklich geschädigt. Wir von der WSL haben deshalb letztes Jahr, als wir gesehen haben, dass die Trockenheit so ausgeprägt war und viele Rot-Buchen braun wurden, viele von ihnen markiert, um ihre Regeneration nach diesem Extremereignis zu studieren. Damit erhoffen wir uns ein besseres Verständnis, was mit diesen geschädigten Rot-Buchen geschieht.

Gibt es Verschiebungen an der Waldgrenze?

Ja, die Waldgrenze wandert nach oben, aber viel langsamer als man das aufgrund der Klimaveränderung prognostizieren würde. Rein basierend auf der jetzigen Erwärmung von rund 2 °C wäre eine Waldgrenzenverschiebung von 400 Höhenmetern zu erwarten, so stark ist sie aber nicht angestiegen. Zudem gilt es auch die menschlichen Aktivitäten zu berücksichtigen.

 

PROF. DR. NIKLAUS E. ZIMMERMANN studierte an der Universität Bern Botanik und Vegetationskunde, ist an der WSL als Senior Scientist tätig und lehrt an der ETH Zürich.

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