Das Interview ist im BOTANICA Garten- und Pflanzenfüher 2020/2021 erschienen.

Invasive Neophyten

«Wir können nicht tatenlos zusehen»

Die Schweiz hat sich international verpflichtet, einheimische Arten zu schützen. Bezüglich der gebietsfremden Arten verabschiedete der Bundesrat 2016 die Strategie der Schweiz zu invasiven gebietsfremden Arten, inklusive Massnahmenplan. Für die Umsetzung ist das Bundesamt für Umwelt (BAFU) federführend und unterstützt dabei auch die Kantone.

DR. GIAN-RETO WALTHER studierte an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften. Nach über zehnjähriger Forschungstätigkeit ist er seit 2010 beim BAFU als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Bereiche Neobioten sowie Biodiversität und Klimawandel zuständig.

BEAT FISCHER Herr Walther, Sie haben jahrelang mit invasiven Neophyten geforscht. Entwickelt man dabei auch so etwas wie eine Beziehung zu diesen Pflanzenarten?
GIAN-RETO WALTHER Je länger man sich mit einem spannenden Thema beschäftigt, desto mehr möchte man darüber wissen. Wie in der Forschung üblich, stellen sich auf eine beantwortete Frage viele neue Fragen. So entwickelt man zwar keine eigentliche Beziehung zum Forschungsgegenstand, aber die Neugier, wie sich eine Situation weiterentwickelt, bleibt erhalten.

Welche der invasiven Neophyten mögen Sie am liebsten?
Aufgrund der Problematik, die von invasiven Neophyten ausgeht, kann man diese Pflanzen nicht wirklich mögen. Aber aus biologischer Sicht überraschen und faszinieren sie. So stellt der Japanische Staudenknöterich eine Besonderheit dar, da sich diese Pflanze über viele Regeln der Lehrbuchbiologie hinwegsetzt und eine unglaubliche Wuchskraft und Ausdauer an den Tag legt. Normalerweise gibt es bei klonal wachsenden Pflanzen einen sich ausbreitenden und einen absterbenden Teil, beim Japanischen Staudenknöterich ist dies nicht der Fall: Ohne Gegenmassnahmen breitet er sich in alle Richtungen aus, ohne auch nur Anzeichen von schwächelnden Teilen zu zeigen.

Besitzt eine unglaubliche Wuchskraft und Ausdauer: der Japanische Staudenknöterich mit seinem freigelegten Wurzelwerk, umgeben von Kanadischen Goldruten.

Das BAFU ist für die Strategie und die Umsetzung der Bekämpfungsmassnahmen zuständig. Welches sind die wichtigsten Aufgaben?
Für das BAFU stehen zurzeit drei Massnahmen im Vordergrund: Es gilt die fachlichen Grundlagen zu aktualisieren, die Koordination der betroffenen Akteure zu stärken sowie die rechtlichen Grundlagen anzupassen.

Welche Rollen spielen Kantone und Gemeinden?
Die Kantone und Gemeinden kennen die Verhältnisse vor Ort und stehen in direktem Kontakt mit den handelnden Akteuren. Der Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen diesen Akteuren und dem Bund ist wichtig, deshalb bauen wir für die Umsetzung der Strategie die entsprechenden Koordinationsgremien auf.

Das BAFU schreibt in seiner Strategie der Schweiz zu invasiven gebietsfremden Arten, dass sowohl die Anzahl Arten als auch die von ihnen besiedelte Fläche immer weiter zunimmt. Ist die Situation nicht aussichtslos, und wir sollten diese neuen Pflanzen einfach akzeptieren?
Es stellt sich weniger die Frage, ob wir die Pflanzen akzeptieren sollen, als jene, wie wir mit den von ihnen ausgehenden Schäden umgehen. Ich denke nicht, dass wir tatenlos zusehen können. Mit dem Stufenkonzept wird in der Strategie eine differenzierte Vorgehensweise vorgeschlagen, je nach ökologischen Eigenschaften, Verbreitungsstand und Massnahmenverfügbarkeit der jeweiligen Art.

Die wichtigste rechtliche Grundlage im Umgang mit gebietsfremden Pflanzen und Tieren bildet die Freisetzungsverordnung. Wie gelangt eine Art auf diese Liste?
Es sind viele Akteure in diesen Prozess involviert, die sich dazu äussern können. Bei der aktuellen Liste besteht jedoch die Schwierigkeit, dass sowohl Arten, die in der Schweiz noch nicht oder erst in einem frühen Verbreitungsstadium auftreten, im selben Anhang stehen wie Arten, die bereits weit verbreitet sind, obwohl je unterschiedliche Massnahmen zu ergreifen wären. Dieser Umstand soll im Rahmen der rechtlichen Anpassungen geändert werden.

Auf der Schwarzen Liste werden Pflanzenarten aufgeführt, die Schäden verursachen. Diese Liste ist rechtlich unverbindlich, daher sind im Handel auch etliche Arten wie Robinie, Kirschlorbeer oder Sommerflieder erhältlich. Gibt es Möglichkeiten, diese widersprüchliche Situation zu ändern, allenfalls mit einem Verkaufsstopp?
Wer Pflanzen in Verkehr bringt, ist bereits heute verpflichtet, die möglichen Gefährdungen und Beeinträchtigungen zu beurteilen und zur begründeten Schlussfolgerung zu gelangen, dass keine solchen zu erwarten sind.

Gefährdete Arten wie die Gold-Aster (Aster linosyris) profitieren von den Bekämpfungsmassnahmen.

Abnehmerinnen und Abnehmer sind so anzuweisen, dass beim vorschrifts- und anweisungsgemässen Umgang in der Umwelt Menschen, Tiere und Umwelt nicht gefährdet werden können und die biologische Vielfalt sowie deren nachhaltige Nutzung nicht beeinträchtigt werden. Diese Auflagen beziehen sich allerdings erst auf Pflanzen, die nach Inkrafttreten der revidierten Freisetzungsverordnung, also nach dem 1. Oktober 2008, in Verkehr gebracht werden. Bei einem Verkaufsstopp würden zwar keine zusätzlichen Pflanzen mehr angeboten; für alle vor Oktober 2008 gepflanzten hätte diese Massnahme allein aber wenig bis keine Wirkung. Um die Lücken in den bestehenden rechtlichen Grundlagen zu schliessen, wurde eine Vernehmlassungsvorlage zur Änderung des Umweltschutzgesetzes erarbeitet.

Mit dem Klimawandel verschärft sich die Problematik der invasiven Neophyten. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Mit dem fortschreitenden Klimawandel ändern sich die standörtlichen Eigenschaften grundlegend. Zentral dabei ist, wie rasch und wie stark sich das Klima weiter verändern wird. Gelingt es den Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaabkommens, die globale Klimaerwärmung zu begrenzen, ergibt sich eine ganz andere Situation, als wenn wir auf dem bislang eingeschlagenen Kurs bleiben. In letzterem Falle wird es zunehmend schwierig, die Problematik der invasiven Neophyten zu beurteilen, da sich immer mehr die Frage stellen würde, mit welchem Referenzzustand denn überhaupt verglichen werden soll.

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